Stephan Kurmann: Die Musik und das Glück
Stephan Kurmann ist ein freundlicher und ein glücklicher Mensch. Davon kann man sich überzeugen, wenn man mit ihm ins Gespräch kommt. Aber anders als der Hans im Glück aus dem Märchen fallen ihm die Goldstücke nicht einfach vom Himmel in den Schoss, sondern er tut etwas dafür, damit ihm das Glück gelegentlich zur Seite steht. Dieser sympathische Zug ist an einem Musiker nicht selbstverständlich und am Manager des ersten Basler Jazzclubs erst recht nicht von vornherein zu erwarten. Ohnehin ist es kein kleines Wunder, dass es das ‘Bird’s Eye’, den vor 10 Jahren von Stephan Kurmann gegründeten Jazzclub am Kohlenberg, noch immer gibt. Viele Jazzclubs in weit grösseren Städten als Basel haben ihre Türen längst verriegelt und sind Geschichte geworden, das ‘Village Vanguard” in New York etwa, das ‘Black Hawk’ in San Francisco, das ‘Blue Note’ in Paris – legendäre Treffpunkte von Jazzern, an denen legendäre Plattenaufnahmen entstanden.
Jamsessions im Wohnzimmer
Ein Jazzclub in Basel? Eine tollkühne Idee, die im Kopf eines Geschäftsmannes nicht denkbar erscheint, denn Geschäftsleute gelten gemeinhin als kühle Rechner und Realisten, die ein Projekt von der nötigen Effizienz her betrachten. So konnte die Idee denn nur im Kopf eines Musikers geboren werden, der, wie Stephan Kurmann lachend beteuert, “damals einen grösseren Raum suchte, damit die Proben und Jamsessions der Kollegen und Freunde nicht ständig und bis in alle Morgen hinein in meinem Wohnzimmer stattfanden”. So wurde die Not zum Taufpaten eines Jazzclubs, dem sein Gründer den sinnigen Namen ‘Bird’s Eye’ gab. Im Jazz steht dieser Name für das Zeichen (siehe auch das Logo des Clubs), das man hierzulande “Fermate” oder “Ruhepunkt” nennt und mit welchem man das “time”, den Rhythmus oder das Tempo zum Stillstehen bringt. Das ‘Bird’s Eye’ lag zunächst nahe der französischen Grenze, an der Elsässerstrasse, bevor es an seinen heutigen Standort, den Kohlenberg 20 zog – in die ehemalige Turnhalle des Untersuchungsgefängnisses Lohnhof.
Das Gefängnis als Hort der Freiheit
Ein Gefängnis als Mekka einer Musik, die auf verschiedenste Art Freiheit verkörpert – ein schöneres Symbol hätte Kurmann für seinen Arbeitsort nicht finden können. Darin zeigt sich aber noch etwas Anderes: der Bezug des Baslers zur Geschichte seiner Stadt. Stephan Kurmann ist 1958 in Basel geboren und hier gross geworden. Ursprünglich wollte er Gärtner werden. Als Bassist früh ein gesuchter Musiker, entschloss er sich Profi zu werden – mit knapp über zwanzig. Zwar holte er die Jazzschule nach, aber er legt Wert darauf, dass er den Jazz nach altem Muster erlernt habe, in der Praxis und nach dem Gehör, wie die meisten Jazzer seiner Generation. Die oft knappen Gagen, welche bei Gigs bezahlt werden, reichten dem Bassisten Kurmann, solange er allein lebte. Dem Familienvater mit Frau und drei Kindern konnte es nicht genug sein, mit ein anderer Grund, wieso Stephan Kurmann nach einem zweiten, die Lebensgrundlage sichernden Standbein suchte. Seine Frau Nivia ist Brasilianerin, ein Umstand, der dem weltoffenen Basler einen Kontinent erschloss, der nicht zuletzt musikalisch von grossem Interesse für ihn werden sollte. “Die brasilianische Musik ist, wie der Jazz, eine unendlich vielseitige, offene und freie Musik, in der Alles möglich ist. Das macht sie für mich so spannend, spannender etwa als die kubanische Musik, die in sich stilistisch abgeschlossener ist.” Das sagt der Jazzclub-Manager Kurmann, der in den letzten fünf Jahren als erster Basler Veranstalter regelmässig kubanische Musik bei sich über die Bühne gehen liess!
Immer einen Schritt weiter
Aber Stephan Kurmann ist kein Schubladendenker. Er ist immer einen Schritt weiter als die Anderen. Er hat Basel einen ästhetisch wie akustisch ansprechenden Jazzclub geschenkt, in dem sich das Publikum ebenso wie die Jazzmusiker wohl fühlen. Jetzt, da das offizielle Basel allmählich entdeckt, welches Juwel sich da mitten in der Stadt, im mittelalterlichen Untergrund, befindet, geht Kurmann schon daran, die Hörer und Musiker der nächsten Generation für den Jazz zu begeistern, indem er Workshops mit Schulen aus Basel-Stadt und Baselland im ‘Bird’s Eye’ veranstaltet. Und während seine Idee der Konzerte mit kubanischer, brasilianischer und afrikanischer Musik längst von anderen Veranstaltern kopiert wird, plant der Jazzmusiker Kurmann für den nächsten Herbst Jamsessions in seinem Club -“so wie sie früher nach jedem Konzert regelmässig stattfanden.” Wer den Bassisten Kurmann bei Konzerten auf der Bühne erlebt hat, weiss, dass da sein Herz ebenso wie sein wirkliches musikalisches Temperament zum Vorschein kommt. Dem Wesen, aber auch der Berufung nach ist Stephan Kurmann, trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Weltoffenheit und seinem Organisationstalent, Jazzmusiker geblieben. Als Bandleader der Stephan Kurmann Strings hat er hervorragende Musik aufgenommen, die durch die Verwendung von Streichern teils Crossover-Charakter aufweist, teils mit afro-kubanischen oder brasilianischen Elementen verquickt ist oder ganz einfach in klassischer Manier swingt, dass die Post abgeht. Wem soviel gelingt, der muss ein glücklicher Mensch sein. Oder anders gesagt: Wer soviel wagt, der macht das Glück auch auf sich aufmerksam.